„Der reine Männerstaat ist das Verderben der Völker“ – Die Mütter des Grundgesetzes – Viererteam für Gleichberechtigung

21. Mai 2019

Quelle: Peter Kasper, Briloner Anzeiger

Der Leiter des Museums Haus Hövener, Winfried Dickel, konnte die Eröffnung der Wanderausstellung „Die Mütter des Grundgesetzes und die starken Frauen aus dem Sauerland“ in einem, mit interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern überfüllten Vortragsraum mit einem Blick auf die Vergangenheit beginnen. Winfried Dickel erinnerte daran, dass in diesem Mai 2019 das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland 70 Jahre alt wird, ebenso die Bundesrepublik Deutschland. Ebenfalls ist ein besonderes Jubiläum in der Deutschen Vergangenheit hervorzuheben und zwar Leben seit 70 Jahren in Frieden und Freiheit. Er bezeichnete diesen Zeitraum als die besten 70 Jahre unseres Landes. Weiterhin führte er aus, dass das Museum ein Beispiel für Leben und Werken ist und die Wanderausstellung um den Bereich der starken Frauen aus dem Sauerland erweitert worden ist. Diese Erweiterung ist nicht begrenzt, sondern kann an jedem weiteren Ausstellungsort Orts- oder Umgebungsbezogen verändert werden.

Bürgermeister Dr. Christof Bartsch begrüßte es, dass diese Ausstellung, die stadtseitig wichtig ist, am Marktplatz im Haus Hövener untergebracht ist. Vor allem die vier Frauen der Parlamentarischen Versammlung stehen hier berechtigt im Mittelpunkt. Der Artikel 1 (1) des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und sie zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“ ist die Basis für die Gleichberechtigung. Leider war die Umsetzung nicht selbstverständlich. Sowohl die vier Frauen der Parlamentarischen Versammlung, als auch sehr viele nach ihnen haben sich dieses gemeinsam erarbeitet. Er stellte weiter fest, dass Gleichheit und Freiheitsrechte auch heute noch nicht in allen Facetten gelungen sind.

Klaus Opdenacker von der AWO-Brilon verwies im Rahmen der „Mütter des Grundgesetzes“ auf die seiner Meinung nach Uroma der Demokratie, nämlich auf Marie Juchacz. Sie war die erste Frau die in ein deutsches Parlament, und zwar die Nationalversammlung in Weimar gewählt worden war. Das Wahlrecht für Frauen und die Wählbarkeit von Frauen war mit dem Ende des ersten Weltkriegs eingeführt worden. Am 19. Februar 1919 war Marie Juchacz die erste Frau in Deutschland die vor einem frei gewählten Parlament sprach. Am 13. November 1919 war sie die Initiatorin zur Gründung der Arbeiterwohlfahrt. 1933 musste sie aus Deutschland vor den Nationalsozialisten fliehen. erst in das Elsass und dann später nach New York. 1949 kehrte sie nach Deutschland zurück wo sie 1956 in Düsseldorf einem Krebsleiden erlag.

Der wissenschaftliche Mitarbeiter des Museums Carsten Schlömer ging in seinen Ausführungen vor allem auf die „starken Frauen aus dem Sauerland“ ein. Sie waren es vor allem, die die Entwicklung beeinflusst haben, wie z. B. die Ordensfrauen der Franziskanerinnen in Menden oder Charlotte Unkraut aus Olsberg die die Hütte Olsberg selbstbewusst weiterführte, oder die Hebamme Pauline Dohle aus Brilon, die trotz härtester Strafandrohung durch die Nationalsozialisten den „Fremdarbeiterinnen“ bei der Geburt ihrer Kinder Hilfe gab. Diese und weitere Frauen werden in der Ausstellung thematisiert, nicht weil sie Frauen sind, sondern weil sie durch besondere Leistungen auffielen.

MdB Dirk Wiese wies als Schirmherr der Ausstellung darauf hin, das in der Parlamentarischen Versammlung ein erhebliches Ungleichgewicht der Geschlechter herrschte. Von den 65 Teilnehmerinnen und Teilnehmern waren nur vier Frauen. Diese vier haben dann, da sich in den Diskussionen kein Konsens bezüglich Gleichberechtigung ergab, von Dezember 1948 bis Januar 1949 eine Öffentlichkeit herstellen können, die den nach ihrer Ansicht berechtigten Vorstellungen für die Frauen Rechnung trug. Dieser öffentliche Druck hat dann in der sechsten Abstimmung zu dem Art. 3 (2) des Grundgesetzes geführt. Im Verlaufe der Diskussionen hat Helene Weber (CDU) den in der Hauptüberschrift ausgeführten Satz ausgesprochen.

Art 3 (2) Grundgesetz lautet: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“. Dieser Artikel wurde am 23. Mai 1949 verkündet und trat am 24. Mai 1949 in Kraft. Nach fast achtjähriger zögerlicher Umsetzung wurde 1957 das Gleichberechtigungsgesetz verabschiedet. 1977 kam die Reform des Ehe- und Familienrechts dazu, bis dahin bedurfte es der förmlichen Zustimmung des Ehemanns, wenn die Ehefrau eine berufliche Tätigkeit ausüben wollte. 1980 trat dann das Gesetz über die Gleichbehandlung am Arbeitsplatz in Kraft. Wie durch diese kurze Auflistung zu erkennen, mahlen nicht nur Gottes Mühlen langsam.

Wer waren diese vier Frauen, die das Viererteam für Gleichberechtigung bildeten?

Dr. Elisabeth Selbert, geb. Rohde (* 22.09.1896 † 09.06.1986) Juristin aus Kassel. Sie war die treibende Kraft und Formulierte den Gleichheitsgrundsatz. Die Mehrheit der Parlamentarischen Versammlung wollte jedoch anfänglich den Satz „Männer und Frauen haben dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“ aus der Weimarer Verfassung.

Dr. Helene Weber (* 17.03.1881 † 25.07. 1962) aus Elberfeld, heute Wuppertal-Elberfeld, Lehrerin und Philologin. War von 1919 bis 1962 Mitglied in Parlamenten, lediglich unterbrochen durch die Zeit des Nationalsozialismus. Damit war sie die einzige deutsche Frau, die eine so lange parlamentarische Tätigkeit ausgeübt hat.

Friederike (Frieda) Nadig (* 1.12.1897 † 14.08. 1970) aus Herford. Sie war langjährige Leiterin der AWO-Ostwestfalen.

Helene Wessel (* 06.07.1898 † 13.10.1969) aus Hörde, heute Dortmund-Hörde. Sie engagierte sich stark in der Wohlfahrtspflege. Sie war von 1928 bis 1933 Mitglied des Preußischen Landtags für das Zentrum und von 1957 bis 1969 Mitglied des Deutschen Bundestages für die SPD.