Auf beiden Seiten des Atlantiks, sowohl in der aktuellen Berichterstattung, als auch durch Aussagen führender Entscheidungsträger, vernimmt man die differenziertesten Stellungnahmen zu den Chancen und Risiken des transatlantischen Freihandelsabkommens (TTIP, Transatlantic Trade and Investment Partnership) mit den Vereinigten Staaten. Aktuell überwiegen dabei nicht zu Unrecht die skeptischen Stimmen, gerade in Bezug auf den Investitionsschutz, also die sogenannten „Geheimgerichte“, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen, um die Kontrahenten im Prozess vor Investitionsverlusten, beispielsweise durch Indiskretion, zu schützen.
Die vermeintliche Intransparenz des laufenden Verhandlungsprozesses trägt zudem mit Sicherheit ihren Teil dazu bei, dass sich immer mehr Bürgerinnen und Bürger um die Folgen sorgen. Gerade im Internet äußern viele besorgte Bürgerinnen und Bürger aktuell ihre Sorgen und bringen ihr Unsicherheitsgefühl zum Ausdruck. Zusätzlich springt die Opposition in Deutschland, aus wie ich finde durchschaubaren europawahltaktischen Gründen, bereitwillig auf und instrumentalisiert diese berechtigte Unsicherheit vieler Bürgerinnen und Bürger für eigene Zwecke. Ein aus meiner Sicht durchsichtiges Manöver.
Das angestrebte transatlantische Freihandelsabkommen bietet aber vor allem auch Chancen. Dies haben in dieser Woche auch Vertreter der EU-Kommission im Deutschen Bundestag noch einmal deutlich gemacht und dabei dem wachsenden Misstrauen in der Bevölkerung entgegengesteuert. Dabei gilt es die schon bestehenden hohen Standards zu gemeinsamen Standards festzuschreiben. Also keine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner und keine Absenkung des europäischen Schutzniveaus.
Das Gegenteil sollte umgesetzt werden: Beibehaltung der hohen europäischen Standards und Ausklammerung von Bereichen, die keinerlei Regelung bedürfen. Hier muss es also in den laufenden Verhandlungen eine klar erkennbare rote Linie geben. Dies kann dann bei einem erfolgreichen Abschluss dazu führen, dass diese Standards möglicherweise in eine globale Richtung weisen. Zudem muss darauf hingewiesen werden, dass es schon heute unzählige bilaterale Abkommen gibt, die gerade auch ähnliche Regelungen zum Investitionsschutz beinhalten und keine gravierenden Folgen nach sich ziehen.
Investitionsschutzklagen machen folglich nur bei gravierenden Eingriffen Sinn, wie z.B. einer Enteignung oder einem ähnlich gelagerten Eingriff. Dies deckt sich übrigens mit Art. 14 GG. Es zeigt sich, TTIP ist nichts vor dem man sich fürchten muss. Im Gegenteil, es bietet vielmehr eine Sicherheit für europäische und damit auch deutsche Firmen und Unternehmen.
Übrigens werden gerade infolge des jetzigen Post-Bali-Prozesses, bilaterale vertragliche Freihandelsabkommen wie das TIPP mit den USA möglicherweise in Zukunft stark zunehmen. Deshalb sei mir an dieser Stelle ein kurzer Hinweis auf das geplante Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement – CETA) gestattet.
Das Freihandelsabkommen mit Kanada kam im Oktober 2013 durch eine Einigung zwischen der EU und der kanadischen Regierung zustande. Problematisch war hier vor allem der Agrarbereich. Hier wurde im Wesentlichen vereinbart, dass die EU und Kanada sich einander zoll- und quotenfreien Zugang für fast alle Agrargüter gewähren. Wobei nur wenige Produkte ausgenommen sind.
Das sind vor allem Milchprodukte für Kanada sowie Rind- und Schweinefleisch sowie Gemüsemais für die EU. Nach der politischen Einigung von Oktober 2013 werden nun noch die letzten Details ausgehandelt und die rechtsförmliche Prüfung durchgeführt, bevor der endgültige Vertragstext zur Unterschrift vorgelegt werden kann. Allerdings gibt es im Europäischen Parlament noch zu Recht Bedenken im Hinblick auf Arbeits- und Sozialstandards des Abkommens, die auch ich teile.
Dort muss ganz klar noch nachjustiert werden. Trotzdem könnte das CETA nach Überarbeitung eine gute Grundlage und vor allem ein Vorbild für das TTIP mit den USA sein und für weitere Freihandelsabkommen, die sich auf dem Weg befinden. So stocken beispielsweise gerade die Verhandlungen mit Indien, was aber vermutlich nur dem dortigen Parlamentswahlkampf geschuldet ist.
Zurück zum TTIP: Viele Punkte und Thesen, die man im Internet lesen kann, wie z.B. die These, dass das TTIP Fracking durch die Hintertür erlauben würde, stellen sich dann schnell als Luftblasen raus. Gleichwohl darf man ein Freihandelsabkommen nicht „by all means“, also nicht um jeden Preis, vorantreiben. Europäische Standards, gerade was Arbeitsrecht und Sozialleistungen angeht, müssen gewährleistet sein und müssen die juristische Grundlage für jegliches Freihandelsabkommen bilden, dass Deutschland und Europa in Zukunft abschließen werden.
Sei es mit den USA oder sei es mit Indien, der Partner ist zweitrangig und spielt keine primäre Rolle, solange die oben beschriebenen Spielregeln eingehalten werden, also die hohen europäische Standards eingehalten werden. Sofern diese Voraussetzungen gewährleistet sind ist der Weg frei für eine Verbesserung der Wirtschaftslage, denn ein Freihandelsabkommen ist dann vor allem eins: ein Motor für die heimische Wirtschaft.
Das ist extrem wichtig, denn wir dürfen nicht vergessen, dass Deutschland immer noch, hinter China, Exportvizeweltmeister ist und das vor allem auch bleiben will. Globalpolitisch gesehen, gerade auch im Hinblick auf die immer stärker werdende B.R.I.C.S.-Staaten und deren Exportfreudigkeit, ist ein Freihandelsabkommen eine gute Möglichkeit um den Warenverkehr und damit die Wirtschaft anzukurbeln. Es gibt übrigens ein Zitat, dass bestens zu allen vermeintlichen Statistiken, die gerade bezüglich des TTIP auf dem Markt sind, passt: “ Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.“
Den Artikel finden Sie auch auf der Seite der Huffington Post unter folgendem Link: http://www.huffingtonpost.de/dirk-wiese/ja-zum-freihandelsabkommen—aber-nicht-um-jeden-preis_b_4778837.html?utm_hp_ref=germany