Wie ist das Verfahren für ein ESM-Hilfsprogramm für Griechenland und was sind die Beteiligungsrechte des Bundestages?

14. Juli 2015
In dieser Woche war die SPD-Dialogbox auf ihrer Rundreise durch die Republik auch bei uns im Sauerland in Brilon zu Gast. Die Dialogbox, die von einem Journalisten sehr treffend als kleiner Leuchtturm beschrieben wurde, ist eine Einladung an die Bürgerinnen und Bürger, mit uns ins Gespräch zu kommen. Kurz gesagt, es war ein Erfolg. An den drei Tagen führten wir spannende Gespräche und hörten aus erster Hand, wo der Schuh drückt. Denn das Programm an der Dialogbox gab den Bürgerinnen und Bürger zum einen Einblicke in die Politik der SPD vor Ort, zum anderen aber auch die Möglichkeit genau diese Politik aktiv mitzugestalten. Herzlichen Dank an dieser Stelle noch einmal an das ganze Team um Ralf Wiegelmann und Udo Adamini, die den Ablauf im Vorfeld vor Ort auf die Beine gestellt haben! In der Presse gibt es zu der Dialogbox in Brilon bereits zwei schöne Artikel. Sie finden diese hier: http://www.derwesten.de/staedte/nachrichten-aus-brilon-marsberg-und-olsberg/im-roten-leuchtturm-ins-gespraech-kommen-id8113584.html http://www.sauerlandkurier.de/politik/buergermeinung-im-blick/

Momentan wird kaum ein Thema so breit in der Öffentlichkeit diskutiert, wie die Verhandlungen über weitere finanzielle Hilfen für Griechenland. Weil ich als Abgeordneter vielfach Anfragen zu dem Thema bekommen habe, möchte ich hier das Verfahren kurz darstellen. Wir befinden uns momentan bei Schritt 3 c, der Zustimmung des Deutschen Bundestages zum Verhandlungsmandat.

Das Verfahren, das zu einem ESM-Hilfsprogramm für Griechenland führen könnte, ist im ESM-Vertrag (ESMV) geregelt, die Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages im ESM-Finanzierungsgesetz (ESMFinG). Die ersten beiden Verfahrensschritte sind am Mittwoch, 8. Juli, erfolgt bzw. eingeleitet worden:

1. Antrag beim ESM

Griechenland hat mit einem Schreiben an den Vorsitzenden des ESM-Gouverneursrats (Vorsitzender der Eurogruppe Jeroen Dijsselbloem) Stabilitätshilfe beim ESM beantragt und damit das Verfahren gemäß Artikel 13 ESMV in Gang gesetzt. (Es hat gleichzeitig einen ersten Antrag vom 30. Juni zurückgezogen.) Konkret beantragt die griechische Regierung ein Darlehen mit einem Bereitstellungszeitraum von drei Jahren, das dazu verwendet werden soll, (a) die griechischen Schuldverpflichtungen zu bedienen und (b) die Stabilität des Finanzwesens zu sichern. Die griechische Regierung bekennt sich in dem Antragsschreiben zu umfassenden Reformmaßnahmen und sagt zu, bereits Anfang nächster Woche erste Maßnahmen bei Steuern und Rente zu ergreifen.

2.Bewertung EU-KOM, EZB, IWF

Der Vorsitzende des ESM-Gouverneursrats hat der EU-Kommission, im Benehmen mit der EZB, die folgenden Aufgaben übertragen: (1) das Bestehen einer Gefahr für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt oder seiner Mitgliedstaaten zu bewerten; (2) möglichst zusammen mit dem IWF zu bewerten, ob die Staatsverschuldung tragfähig ist; (3) den tatsächlichen oder potenziellen Finanzierungsbedarf zu bewerten.

3.ESM Grundsatzbeschluss

Der ESM-Gouverneursrat kann beschließen, dem betroffenen ESM-Mitglied grundsätzlich Stabilitätshilfe zu gewähren. Hierzu gibt es verschiedene Voraussetzungen:
a. Gefährdung der Finanzstabilität
Inhaltliche Voraussetzung für diesen Grundsatz-beschluss ist, dass dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist (Art. 12 Abs. 1 S. 1 ESMV). Das wird gemeinhin als „Ansteckungsgefahr“ beschrieben.

b. Einstimmigkeit im ESM
Prozedurale Voraussetzung ist, dass der Beschluss im ESM im gegenseitigen Einvernehmen gefasst wird, also einstimmig. (In einem theoretisch möglichen Dringlichkeitsverfahren wäre eine qualifizierte Mehrheit von 85 % der abgegebenen Stimmen ausreichend, was Deutschland mit seinem Stimmanteil von 26,9 % immer noch eine Vetoposition sichern würde.)

c. Deutscher Bundestag muss vorher zum „Verhandlungsmandat“ zustimmen
Auf deutscher Seite erfordert so ein ESM-Beschluss zwingend einen zustimmenden Beschluss des Plenums des Deutschen Bundestages. Ohne ihn muss Finanzminister Schäuble als deutscher Vertreter den Beschlussvorschlag im ESM ablehnen. Dieser Plenarbeschluss ist gemeint, wenn vom „Verhandlungsmandat“ die Rede ist.

d. Informationsgrundlage
Vor der Plenarentscheidung muss die Bundesregierung „rechtzeitig eine umfassende Einschätzung zu Inhalt und Umfang der beantragten Hilfen [übermitteln] sowie eine Stellungnahme zu der Bewertung der Europäischen Kommission … und eine Abschätzung der finanziellen Folgen“ vorlegen.

Folgen des ESM Grundsatzbeschlusses

Sollte auf diesem Weg die Grundsatzentscheidung getroffen werden, Griechenland Stabilitätshilfe zu gewähren, würde die konkrete Ausgestaltung der Hilfe verhandelt:

1. Memorandum of Understanding, MoU

Geld gibt es nicht ohne Bedingungen. Ein ESM-Darlehen, wie es Griechenland beantragt, setzt zwingend ein makroökonomisches Anpassungsprogramm voraus. Einzelheiten würden verhandelt zwischen EU-Kommission, im Benehmen mit EZB und nach Möglichkeit dem IWF, auf der einen Seite (Troika) und der griechischen Regierung auf der anderen Seite. Das Ergebnis würde in einer verbindlichen Erklärung festgehalten, dem Memorandum of Understanding (MoU).

2. Finanzhilfevereinbarung

Technische Aspekte der Finanzhilfe, insb. Zinssätze und Laufzeiten des Darlehens, würden in einer separaten Finanzhilfevereinbarung festgeschrieben, die vom ESM-Direktorium (Staatssekretärsebene) ausgehandelt würde.

3. Einstimmiger Beschluss im ESM-Gouverneursrat

Wie der Beschluss, grundsätzlich Finanzhilfe zu gewähren, sind auch die Beschlüsse über MoU und Finanzhilfevereinbarung im gegenseitigen Einvernehmen zu treffen.

4. Deutscher Bundestag muss vorher zustimmen

Voraussetzung für die Zustimmung des deutschen Vertreters im ESM ist auch hier zwingend ein weiterer zustimmender Beschluss des Deutschen Bundestages.