Quelle: Oliver Eickhoff, Westfalenpost
1. Wie zufrieden sind Sie (beim Thema Flüchtlinge) mit der Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel?
Die Bundesregierung setzt den gesetzgeberischen Rahmen und sorgt für finanzielle Hilfe, die Helfer vor Ort für die tägliche Bewältigung der Aufgaben. Darum gilt mein Dank den haupt- und ehrenamtlichen in den Städten und Gemeinden und den Frauen und Männern bei der Bundespolizei. Sie leisten vor Ort herausragende Arbeit, selbst wenn sie an den Grenzen ihrer Kräfte sind. Ihnen gebührt mein ganzer Respekt. Sie müssen wir besonders unterstützen, damit wir den Spagat schaffen, Millionen von Flüchtlingen zu helfen und gleichzeitig unser Land zusammen zu halten.
2. Braucht Deutschland eine Obergrenze oder kann dieses Land weiterhin alle Flüchtlinge aufnehmen, die Asyl beantragen?
Wer eine Obergrenze für Flüchtlinge fordert, zeigt vor allem, dass er das Grundgesetz nicht kennt. Denn das Asylrecht ist fester Teil unserer Verfassung und es kennt keine Obergrenze. Um faktische Grenzen bei der Unterbringung zu verhindern, muss aber die Verteilung in Europa gerecht gewährleistet und auf alle Schultern verteilt werden. Zudem müssen wir den Menschen, die Asyl beantragen und eigentlich etwas anderes meinen, ganz klar sagen, dass ihr Weg nach Europa nicht über das Asylrecht führt. Für diese Menschen brauchen wir ein Einwanderungsgesetz, damit sie auf legalem Weg nach Europa kommen können, wenn sie einen Arbeitsplatz haben und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können.
3. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles rechnet mit steigenden Arbeitslosenzahlen, weil nicht einmal jeder zehnter Flüchtling direkt in den Arbeitsmarkt zu integrieren sei. Welche berufliche Zukunft sehen Sie für die anderen? Wird es ausreichend Jobs auch für weniger Gebildete geben?
Als Einwanderungsland brauchen wir gut ausgebildete Menschen aus aller Welt. In diesem Sinne ist die Flüchtlingskrise keine Krise, sondern eine Chance, die wir sinnvoll ergreifen sollten. Und natürlich müssen wir vor dem Hintergrund einer weiter alternden Gesellschaft auch alle eigenen Reserven mobilisieren und längerfristig arbeitslos gemeldeten Menschen Gelegenheiten bieten sich wieder für den Arbeitsalltag zu qualifizieren. Wir müssen das eine tun, ohne das andere zu lassen, also Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt integrieren ohne die Bedürfnisse der restlichen Bevölkerung aus den Augen zu verlieren.
4. Angesichts von prognostizierten 1,5 Millionen Flüchtlingen wachsen Sorgen in der Bevölkerung. Wie verhindert die Politik mögliche Parallelgesellschaften und muss mehr als bisher für die Integration getan werden?
Wer Freiheit genießen will, muss diese anderen zugestehen. Das müssen wir den Menschen, die aus anderen Kulturkreisen zu uns kommen deutlich klarmachen. Denn nur wer unsere Spielregeln des Zusammenlebens akzeptiert, hat auch einen Platz in unserer Mitte verdient. Im Gegenzug müssen wir Flüchtlinge aber auch wohnlich integrieren, d. h. wir Sozialdemokraten sind beispielsweise strikt gegen Wohnsiedlungen, die nur für Asylsuchende gebaut werden und Parallelgesellschaften forcieren. Wir brauchen stattdessen mehr sozialen Wohnungsbau für alle Menschen in Deutschland. Wir brauchen auch keine verkopften Debatten über eine angebliche Leitkultur, denn für alle Menschen in Deutschland gilt das Grundgesetz – ohne wenn und aber. Es bildet die freiheitlich-demokratische Grundlage unseres Zusammenlebens – für alle. Das Grundgesetz ist unsere Leitkultur.