Nachbericht zur Veranstaltung „Revolution des digitalen Kapitalismus?“

28. Mai 2018

Quelle: https://www.fes.de/landesbuero-nrw/artikelseite-landesbuero-nrw/revolution-des-digitalen-kapitalismus-1/

Bereits der Gesellschaftstheoretiker Karl Marx, dessen Geburtstag sich dieses Jahr zum 200. Mal jährt, hat die Arbeitsverhältnisse im Kapitalismus während der extremen Veränderungen der frühen Industrialisierung beschrieben. Unser Leben heute ist ebenfalls durch eine große Revolution geprägt: die Digitalisierung. Sie durchdringt alle Bereiche unserer Gesellschaft und verändert die Art und Wei­se wie wir leben und arbeiten grundlegend. Auch unser kapitalistisches Wirtschaftssystem verändert sich und wird durch die Entstehung von Plattformökonomien und monopolistische Wertschöpfungen von großen Technologiekonzernen immer digitaler.

Wie der digitale Kapitalismus zu gestalten ist, damit er sozialen Fortschritt bringt, war die Frage, die das Landesbüro NRW der Friedrich-Ebert-Stiftung am 3. Mai 2018 im Rahmen des „Hochsauerlandgesprächs“ thematisierte. Dazu lud es Anja Weber, Vorsitzende des DGB NRW, Georg Sieglen vom Institut für Ar­beitsmarkt- und Berufsforschung, Prof. Dr. Tobias Kollmann von der Universität Duisburg-Essen und Dr. Luitwin Mallmann, Hauptgeschäftsführer von unter-nehmer nrw, sowie alle interessierten Bürger_innen dazu ein, sich zu informieren und auszutauschen. Moderiert wurde der Abend von Bundestagsmitglied Dirk Wiese.

Gleich zu Beginn wollte dieser wissen, ob der Marx Klassiker „Das Kapital“ im Zusammenhang mit der Digitalisierung, heute überhaupt noch aktuell sei. Georg Sieglen stellte heraus, dass besonders Marx´ Thesen zur unbegrenzten Akkumulation noch immer gültig seien, da der heutige Kapitalismus sich im Widerspruch zwischen unbegrenztem Wachstumswillen und begrenzten Ressourcen befände. Prof. Dr. Kollmann betonte, dass die Gesellschaft die Wertschöpfung des Menschen honorieren müsse – wie auch Marx die angemessene Entlohnung der Arbeiter forderte.

Dr. Mallmann verglich die Digitalisierung mit einer Ressource, die den Rohstoff „Information“ liefere – und das unbegrenzt. Die Gewinnung und der Umgang mit diesem Rohstoff müssten Regeln unter-

liegen, die seinen Missbrauch verhinderten. Aufgabe des Staates sei es sowohl, diese Regeln zu for­mulieren, als auch Rahmenbedingungen zu setzen, die den Gebrauch des Rohstoffes ermöglichten, wie beispielsweise den Ausbau des Breitbandnetzes.

Bezüglich des Potenzials der Digitalisierung waren sich alle Gäste einig, dass diese gleichzeitig große Chancen, aber auch Risiken beinhalte. Auf der einen Seite sei das Internet ein schnelles und kosten­günstiges Medium, dass die Gesellschaft bereits jetzt durchdringen und vernetzen würde, auf der anderen Seite werde es durch die Digitalisierung unbestritten auch Arbeitsplatzverluste geben. Prof. Dr. Kollmann fasste zusammen, dass dementsprechend Wege gefunden werden müssten, die entste­henden Veränderungen so zu gestalten, dass alle von einer digitalen Welt profitierten.

Die Podiumsteilnehmer_innen gaben zu, dass die Politik nicht alles regeln könne, sahen Politiker aber vor allem bei der Schaffung von Rahmenbedingungen, wie einem Digitalministerium oder einem eu­ropäischen digitalen Binnenmarkt in der Pflicht und dabei, Monopole in der Branche zu verhindern.

Als wichtigste Aufgabe für die Politik und als Schlüsselfaktor für eine erfolgreiche Digitalisierung wur­de allerdings die Weiterqualifizierung von Arbeitnehmer_innen in allen Positionen genannt. Es sei sicher, dass viele heutige Berufsbilder nicht erhalten werden können, dass aber in anderen Bereichen neue Arbeitsplätze entstünden. Das Problem sei, dass diejenigen, die ihren Job verlören, nicht auto­matisch qualifiziert seien, die neu entstehenden Jobs zu übernehmen. Darin, und im ständigen Wan-

del von Arbeitsplätzen, liege die Notwendigkeit begründet, lebenslang zu lernen und sich ständig weiter zu qualifizieren – mit staatlicher Unterstüt­zung. Das bedingungslose Grundeinkommen als Lösung und „Sicherheitsnetz“ für Menschen, die durch die Digitalisierung arbeitslos würden, lehnten die Podiumsteilnehmer mehrheitlich als „Ruhegeld“ oder „Stilllegungsprämie“ ab. Laut Anja Wagner müsse hingegen über eine generelle Neugestaltung und Finanzierung der Sozialsysteme geredet wer-

den, anstatt eine illusionäre Diskussion über die „undifferenzierte Seifenblase Grundeinkommen“ zu führen.

In der darauffolgenden Diskussion machte das Publikum deutlich, dass die Digitalisierung generell immer auch dafür genutzt werden solle, die soziale Schere in Deutschland zu schließen. Der Daten­schutz privater Daten müsse Priorität vor Profitinteressen haben und die Weiterqualifizierung von Arbeitnehmern solle bereits im Ausbildungsbetrieb beginnen, beispielswese durch das Programm Wegebau.

Die Schlussbemerkungen der Podiumsgäste reichten von einer sehr positiver Zukunftseinstellung bei schneller Anpassung an neue Verhältnisse, bis hin zu der Warnung, „dass nie alles von allein gut wird“, sondern nur wenn Menschen sich organisieren und aktiv dafür einsetzten, eine lebenswerte, digitalisierte Gesellschaft zu gestalten.

Text: Sonja Neitzke

Redaktion: Sohel Ahmed, FES
Foto: FES