Das Waffenrecht ist eine sehr sensible Materie der Gesetzgebung: Legalwaffenbesitzer wie Sportschützen, Jäger und Waffensammler auf der einen Seite haben oft gute und respektable Argumente für ihre Anliegen. Dasselbe gilt aber nicht weniger für die Positionen derjenigen Bürgerinnen und Bürger, die mit Waffen große Sorgen verbinden und Schutz erwarten. Auch innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion diskutieren wir das Thema nicht selten mit unterschiedlichen Standpunkten. Wir wollen aber alle gemeinsam Lösungen, die Sport und Brauchtumspflege nicht unzumutbar beschränken, jedoch effizient die Bevölkerung vor dem Missbrauch von Schusswaffen schützen. Das deutsche Waffenrecht ist bereits jetzt eines der strengsten der Welt. Es kann aber nur den Umgang mit legalen Waffen regeln. Die schwerwiegende Problematik illegaler Waffen lässt sich damit nicht adressieren, allenfalls kann einem Missbrauch oder dem Abhandenkommen legaler Waffen bestmöglich vorgebeugt werden.
Derzeit beraten wir im Deutschen Bundestag einen Gesetzesentwurf der Bundesregierung für ein 3. Waffenrechtsänderungsgesetz, der federführend vom Bundesminister des Innern erarbeitet wurde. Damit soll die geänderte EU-Feuerwaffenrichtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. Diesen Entwurf gibt es unter http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/138/1913839.pdf.
Die Änderungen des Waffenrechts haben drei Ziele: Der illegale Zugang zu scharfen Schusswaffen soll erschwert werden. Die Nutzung von legalen Schusswaffen zur Begehung terroristischer Anschläge soll insbesondere durch eine Begrenzung der Magazinkapazität halbautomatischer Schusswaffen erreicht werden. Darüber hinaus sollen sämtliche Schusswaffen und ihre wesentlichen Teile über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg behördlich rückverfolgt werden können.
Aktuell werden mehrere Vorschläge parallel diskutiert. Lass mich versuchen, hier Klarheit zu schaffen und auf die am meisten diskutierten Themen kurz einzugehen.
Bedürfnisprüfung
Die EU-Feuerwaffenrichtlinie schreibt eine regelmäßige Überprüfung des Bedürfnisses vor. Artikel 5 Absatz 1 der EU-Feuerwaffenrichtlinie bestimmt, dass Erlaubnisse zum Erwerb und Besitz von Feuerwaffen nur Personen erteilt werden dürfen, die hierfür ein Bedürfnis vorbringen können. Artikel 7 Absatz 4 Satz 2 der EU-Feuerwaffenrichtlinie regelt, dass die Erlaubnisse spätestens alle fünf Jahre überprüft werden müssen und nur dann verlängert werden dürfen, wenn die Erteilungsvoraussetzungen weiterhin erfüllt sind. Im Entwurf des 3. Waffenrechtsänderungsgesetzes der Bundesregierung wird versucht, diese Vorgaben unter bestmöglicher Berücksichtigung der Interessen von Legalwaffenbesitzern umzusetzen. Statt einer festen Frist, nach der das Bedürfnis spätestens überprüft werden „muss“, enthält der Regierungsentwurf lediglich eine Vorgabe, dass das Bedürfnis „in regelmäßigen Abständen“ überprüft werden „soll“ (vgl. § 4 Absatz 4 Satz 3 Entwurf). Hierdurch bleibt den Waffenbehörden der nötige Spielraum im Rahmen der Bedürfnisprüfung erhalten.
§ 14 Absatz 4 des Entwurfs ergänzt Absatz 2 für den Fall des Fortbesitzes von Schusswaffen durch Sportschützen. In den ersten zehn Jahren nach Erwerb der Waffe ist das Fortbestehen des Bedürfnisses durch regelmäßige Schießtrainings mit der Waffe nachzuweisen. Nach zehnjähriger aktiver Nutzung einer Sportwaffe soll für den Nachweis des Bedürfnisses für den Besitz der Waffe die bloße Mitgliedschaft in einem Schießsportverein, der einem anerkannten Schießsportverband angehört, ausreichen.
Das Merkmal „regelmäßig“ wird nicht näher ausgeführt. Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass es nicht sachgerecht sei, eine konkrete Zahl von Schießterminen für das Fortbestehen des Bedürfnisses auf gesetzlicher Ebene festzuschreiben, da dies eine einzelfallabhängige Vollzugsfrage sei. Letztlich sei eine solche Festlegung auch nicht im Sinne der Schützen, da der Behörde dann die Möglichkeit erschwert wäre, auf die spezifischen Lebensumstände eines Schützen (Krankheit, Auslandsaufenthalt) einzugehen.
Der Bundesrat hat nun in seiner Stellungnahme (siehe Anlage 4, Seite 136) des obigen Entwurfs) kritisiert, dass zehn Jahren seit Eintragung einer Schusswaffe in die Waffenbesitzkarte oder der Ausstellung einer Munitionserwerbserlaubnis für das Fortbestehen des Bedürfnisses eine Mitgliedschaft in einem Schießsportverein auch reichen sollt. Kritisiert wird, dass dann keine Schießtrainings mehr zu absolvieren seien und schlägt für das Fortbestehen des Bedürfnisses neben der Mitgliedschaft in einem Schießsportverein die Ausübung des Schießsports an mindestens achtzehn Tagen innerhalb von drei Jahren an der Waffe vor. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass dies auch älteren Sportschützen zumutbar sei. Die Bundesregierung hat Prüfung zugesagt. Die SPD-Fraktion ist skeptisch, ob eine Regelung mit festen Schießterminen praktikabel ist.
Teilweise wird in der öffentlichen Diskussion vermittelnd vorgeschlagen, bei der im Gesetzentwurf vorgesehenen 10-Jahres-Frist bei der Bedürfnisüberprüfung nicht auf jede einzelne Waffe, sondern auf die erste genehmigungspflichtige Waffe des Sportschützen abzustellen. Hierbei ist auf Folgendes hinzuweisen: Dieser Vorschlag stünde im Widerspruch zur Systematik des deutschen Waffenrechts und insbesondere zum Bedürfnisprinzip als dessen tragender Säule. Das Bedürfnisprinzip besagt, dass Waffen nur in dem Umfang besessen werden sollen, wie diese tatsächlich benötigt werden. Bei der Bedürfnisprüfung ist bereits nach geltender Rechtslage auf jede einzelne Waffe abzustellen. Eine Umsetzung dieser Forderung würde dem teilweise schon jetzt zu beobachtenden Problem des „Waffenhortens“ Vorschub leisten.
Verbot von Magazinen mit großer Ladekapazität
Anhang I Abschnitt II Kategorie A Nummer 7 der EU-Feuerwaffenrichtlinie zählt halb-automatische Zentralfeuer-Kurz- bzw. Langwaffen, in denen eine Ladevorrichtung mit einer Kapazität von mehr als 20 bzw. zehn Patronen fest verbaut ist oder in die eine entsprechend große abnehmbare Ladevorrichtung eingeführt wird, zu den verbotenen Waffen.
Artikel 5 Absatz 3 der EU-Feuerwaffenrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, eine waffenrechtliche Erlaubnis zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass der Erlaubnisinhaber über ein Magazin verfügt, dass an halbautomatische Zentralfeuerwaffen oder Repetierwaffen montiert werden kann und eine entsprechend große Kapazität aufweist. Artikel 10 Absatz 1 Unterabsatz 2 der EU-Feuerwaffenrichtlinie gestattet den Erwerb entsprechender Magazine nur Personen, die eine Ausnahmegenehmigung haben oder unter eine Besitzstandsregelung fallen.
Der Regierungsentwurf eines 3. Waffenrechtsänderungsgesetzes sieht daher eine Einstufung von Magazinen mit entsprechend großer Kapazität als verbotene Gegenstände vor. Da viele Magazine sowohl für Kurz- als auch für Langwaffen Verwendung finden können, ist die Frage, ob es sich bei einem Magazin um ein Kurzwaffen- oder ein Langwaffenmagazin handelt, außerdem davon abhängig zu machen, ob der Besitzer des Magazins über Erlaubnisse für Lang- oder Kurzwaffen verfügt, in die das Magazin eingeführt werden kann. Durch großzügige Besitzstands- und Übergangsregelungen wird den Interessen der Besitzer derartiger Magazine Rechnung getragen. Als Stichtag für die Besitzstandsregelungen ist in Artikel 7 Absatz 4a der EU-Feuerwaffenrichtlinie der 13. Juni 2017 zwingend vorgesehen. Für nach diesem Stichtag erworbene Magazine können nur Übergangsfristen für die Beantragung der notwendigen Erlaubnisse vorgesehen werden. Verstöße gegen die geplanten Regelungen zu Magazinen sollen nach dem Regierungsentwurf nicht als Straftat oder Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
Von der Möglichkeit des Artikels 6 Absatz 6 EU-Feuerwaffenrichtlinie, eine pauschale Ausnahme vom Magazinverbot für Sportschützen vorzusehen, wird im Regierungs-entwurf kein Gebrauch gemacht, da kein entsprechender Bedarf besteht. Halbautomatische Langwaffen mit einem Magazin, das eine Kapazität von mehr als zehn Patronen hat, sind bereits gemäß § 6 Absatz 1 Nummer 3 der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung vom sportlichen Schießen ausgeschlossen. Diese Magazine werden folglich zur Ausübung des Schießsports nicht benötigt. Soweit das Blockieren größerer Magazine zum Zwecke des Schießsports mit Langwaffen auf eine Aufnahme von maximal zehn Patronen nach geltendem Waffenrecht erlaubt war, sehen die oben genannten Vorschriften der EU-Feuerwaffenrichtlinie die Möglichkeit des Blockierens großer Magazine nicht vor. Eine Blockierung großer Magazine könnte leicht rückgängig gemacht werden.
Für Kurzwaffen gibt es daneben nach Auskunft des für die Anerkennung der Schießsportordnungen zuständigen Bundesverwaltungsamts keine nationalen Disziplinen, für die eine Verwendung von Magazinen mit mehr als 20 Patronen Ladekapazität erforderlich wäre. Für die Teilnahme an internationalen Wettkämpfen können Ausnahmeerlaubnisse gemäß § 40 Absatz 4 des Waffengesetzes beantragt werden.
Soweit im Einzelfall Sportschützen eine Kurzwaffe mit einem Magazin für mehr als zehn Patronen, aber nicht mehr als 20 Patronen besitzen, und daneben eine Langwaffe besitzen, in die das Magazin der Kurzwaffe passt, liegt zukünftig ein Verbotstatbestand vor. Nach § 58 Absatz 17 des Gesetzentwurfs ist jedoch eine Besitzstandsregelung für große Magazine vorgesehen, die am 13. Juni 2017 schon im Besitz waren und spätestens am ersten Tag des zwölften auf die Verkündung folgenden Monats bei der zuständigen Behörde angezeigt werden. Bei der Anzeige des Zeitpunktes des Erwerbs eines zukünftig verbotenen Magazins im Rahmen der Besitzstandsregelung trifft die zuständige Behörde eine Einzelfallentscheidung auch hinsichtlich einer Glaubhaftmachung, wenn Belege über den Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr vorliegen.
Im Einzelfall besteht darüber hinaus die Möglichkeit, eine Ausnahmegenehmigung nach § 40 Absatz 4 des WaffG beim Bundeskriminalamt zu beantragen. Die Regelung des § 40 Absatz 4 WaffG soll beibehalten werden, nach der das Bundeskriminalamt von den Verboten der Anlage 2 Abschnitt 1 Ausnahmen zulassen kann, wenn die Interessen des Antragstellers aufgrund besonderer Umstände das öffentliche Interesse an der Durchsetzung des Verbots überwiegen. Dies kann gemäß § 40 Absatz 4 Satz 2 des WaffG insbesondere angenommen werden, wenn der verbotene Gegenstand zum Verbringen aus dem Geltungsbereich des WaffG, für wissenschaftliche oder Forschungszwecke oder zur Erweiterung einer kulturhistorisch bedeutsamen Sammlung bestimmt ist und eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht zu befürchten ist. Auch andere in der Praxis auftretende Spezialfälle beim Umgang mit zukünftig verbotenen großen Magazinen, die nicht alle im Gesetz aufgeführt werden können, lassen sich im Einzelfall im Rahmen des Vollzugs, ggf. nach den Regelungen des § 40 Absatz 4 WaffG, lösen.
Schießstandssachverständige
Der erste Referentenentwurf zur Änderung der waffenrechtlichen Verordnungen enthielt eine Anpassung des § 12 der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung. Es hatte Hinweise von Ländern und Verbänden auf einen Mangel an Schießstandsachverständigen gegeben, woraufhin in § 12 insbesondere ein alternativer Ausbildungsweg für Schießstandsachverständige geschaffen werden sollte. Infolge kritischer Anmerkungen von Verbandsseite wurden diese Änderungen gestrichen. Die Richtlinie hat diese Änderungen nicht vorgegeben und das BMI hat dann von dem Vorschlag Abstand genommen. Unsere Fraktion wird in den weiteren Verhandlungen diesen Punkt noch einmal aufgreifen, um gegebenenfalls eine Regelung zu finden, die Ländern und Verbänden entgegenkommt.
Pfeilabschussgeräte und Armbrüste
Auch durch den Einsatz der SPD-Bundestagsfraktion wurden im vorliegenden Gesetzentwurf Pfeilabschussgeräte aufgenommen und damit Schusswaffen gleichgestellt. Ausgenommen hiervon sind feste Körper mit elastischer Geschossspitze, die den Sicherheitsanforderungen für Spielzeug entsprechen. Diese Pfeilabschussgeräte werden damit Armbrüsten gleichgestellt. Durch die Gleichstellung mit Schusswaffen gelten die gleichen Sicherheitsbestimmungen beim Schießen. Trotzdem können durch einen Ausnahmetatbestand diese Geräte ab einem Alter von 18 Jahren frei erworben und geführt werden. Der Bundesrat hat dies in seiner Stellungnahme bemängelt und eine Streichung dieses Ausnahmetatbestands gefordert, so dass auch für Armbrüste und Pfeilabschussgeräte eine Erlaubnispflicht gälte. Auch wir werden dies in den weiteren Beratungen thematisieren.
Keine Waffen in die Hände von Extremisten
Es ist uns als SPD-Bundestagsfraktion ein großes Anliegen, dass legale Waffen nicht in die Hände von Extremisten fallen. Selbstverständlich geht es nicht darum, Schützen, Jäger oder Waffensammler unter Generalverdacht zu stellen. Aber welcher Schütze möchte denn im Schützenverein einen Extremisten, etwa aus den Reihen der sogenannten „Reichsbürger“, neben sich stehen haben, der den rechtstreuen Schießsport in Verruf bringt und schlimmstenfalls furchtbares Unheil anrichtet? Deswegen setzen wir uns als SPD-Bundestagsfraktion dafür ein, dass dem Verfassungsschutz bekannte Extremisten nicht in den Besitz legaler Waffen gelangen können. Unsere Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hat nun schon jetzt Änderungen am vorliegenden Gesetzentwurf erreichen können. Künftig wird bereits Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit begründen, so dass eine Waffenerlaubnis versagt werden kann. Darüber hinaus sollen die Waffenbehörden verpflichtet werden, bei jeder Zuverlässigkeitsüberprüfung die zuständige Verfassungsschutzbehörde zu beteiligen. Durch diese Regelabfrage soll verhindert werden, dass Personen, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen, waffenrechtliche Erlaubnisse erteilt werden und sie so legal in den Besitz von Schusswaffen gelangen könnten.
Der Deutsche Bundestag hat diesen Gesetzentwurf am 17. Oktober 2019 in 1. Lesung beraten. Der Innenausschuss wird zu diesem Entwurf am 11. November 2019 eine öffentliche Sachverständigenanhörung durchführen, bei der ebenfalls noch offene Fragen diskutiert werden. Ein Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist noch für dieses Jahr vorgesehen.
Infos zur Anhörung am Montag gibt es hier: