Herr Wiese, Sie sind für 2015 von der SPD in den Wirtschaftsausschuss des Bundestages berufen worden. Wie wird sich Ihr neues Aufgabengebiet konkret darstellen?
Das industrielle Herz von NRW schlägt nicht mehr im Ruhrgebiet, sondern bei uns im Sauerland in der Region Südwestfalen. Deshalb freue ich mich besonders darüber, dass meine Heimat mit mir künftig auch eine Stimme im Wirtschaftsausschuss haben wird. Im Ausschuss werde ich mich vornehmlich mit den Freihandelsabkommen beschäftigen, die derzeit verhandelt werden. Hinzu kommen Fragen rund um das Thema Energieeffizienz, speziell die Zuständigkeit für den Bereich LED/ OLED. Dies freut mich besonders, da unsere Region das Zentrum der Lichttechnik ist. Davon zeugt beispielsweise auch das Schild an der A46 bei Arnsberg.
Auch im Wirtschaftsausschuss werden Sie regelmäßig auf den Koalitionspartner CDU treffen. Wie bewerten Sie generell die Zusammenarbeit innerhalb der Großen Koalition?
Die Zusammenarbeit verläuft gut und sachlich. Grundlage unserer Arbeit ist der Koalitionsvertrag. Da dieser eine klare sozialdemokratische Handschrift trägt, fällt mir die Umsetzung allerdings etwas leichter als dem ein oder anderen Kollegen des Koalitionspartners.
Eine moralische Frage, bei der diese Parteigrenzen ausnahmsweise aufgehoben sind, ist das sensible Thema Sterbehilfe. Anfang Dezember haben Sie dazu eine Veranstaltung in Arnsberg organisiert und wollen sich zudem in den nächsten Wochen möglichst viele Erfahrungen und Meinungen der Sauerländer anhören. Wie ist Ihre persönliche Haltung dazu?
Ein Mensch sollte aus meiner Sicht ein Recht auf ein würdevolles und schmerzfreies Sterben haben.
Für mich ist in der Debatte deshalb die entscheidende Frage, ob wir überhaupt etwas neu regeln müssen und wenn ja, was? Bei der indirekten Sterbehilfe, also der Schmerztherapie mit Lebensverkürzung, gibt es schon heute Möglichkeiten und Wege. Wichtig ist, dass wir es schaffen, eine flächendeckende palliativ- und hospizmedizinische Betreuung, die Hilfe beim Sterben, stationär und ambulant, zu gewährleisten. Klar muss aber sein, dass Ärzte nicht ständig den Staatsanwalt im Hinterkopf haben dürfen, wenn sie Menschen in medizinisch ausweglosen Situationen helfen wollen. Dies werden wir in den kommenden Monaten intensiv diskutieren.
Eine weitere Veranstaltung vor Ort findet am 21. Januar in Brilon statt. Dabei wird es um die Bedeutung des demografischen Wandels gehen. Wie kann ein Miteinander der Generationen vor Ort konkret aussehen?
Der demografische Wandel birgt große Herausforderungen für das Sauerland. Dazu zählen die Sicherung von Fachkräften, die Betreuung und Pflege einer wachsenden Zahl von Menschen, die Stabilität unserer sozialen Sicherungssysteme und der Ausbau von medizinischen Versorgungszentren in kommunaler Hand. Aber die demografische Entwicklung bietet für uns auch Chancen, zum Beispiel für einen verbesserten Zusammenhalt und eine stärkere Vernetzung untereinander. Wir wollen mehr Miteinander, clevere Lösungen zum Nutzen unserer Bürgerinnen und Bürger und keine künstlich inszenierten Generationenkonflikte. Gute Ansätze gibt es zwischen Arnsberg und Marsberg schon viele. Die Demografiewerkstatt am 21. Januar in Brilon soll den Auftakt geben, wie das Miteinander vor Ort in Zeiten des demografischen Wandels konkret aussehen kann. Dazu lade ich alle herzlich ein!
Um mehr Miteinander in der Gesellschaft geht es auch in der kontrovers geführten Flüchtlingsdebatte. Wie schätzen Sie die derzeitige Situation ein?
Bei uns im Sauerland engagieren sich täglich so viele Bürgerinnen und Bürger für Menschen in Not. Dies konnte ich aktuell bei den Neujahrsempfängen feststellen. In Brilon waren z.B. die Integrationspaten Ehrengäste. In Arnsberg hatte Bürgermeister Vogel syrische Bürgerkriegsflüchtlinge eingeladen. Aber ich denke auch an die Berichte über die Fußballer aus Marsberg, die mit den Flüchtlingen einmal pro Woche in der Halle eine Runde vor den Ball treten. Dies ist vorbildlich.
Kontrovers diskutiert wird im HSK zudem immer wieder das Thema Windkraft. Zuletzt wurden rund 15.000 Briefe von besorgten Bürgern an Landrat Dr. Karl Schneider übergeben. Die Energiewende ist bekanntlich auch eines Ihrer Kerngebiete für 2015. Welche Schwerpunkte legen Sie dabei?
Kurz und knapp: Es wird Windkraft im Sauerland geben, aber 18.000 Hektar sind zu viel. Ich plädiere für Windkraft mit Augenmaß.
Besorgte Sauerländer machen nicht nur gegen Windkraft sondern insbesondere auch gegen Fracking mobil. Sie selbst zeigten sich kürzlich überzeugt davon, dass es Fracking im Sauerland nicht geben wird. Was macht Sie da so sicher?
Der derzeit in Abstimmung befindliche Gesetzentwurf wird die Hürden so hoch setzen, dass Fracking im Sauerland faktisch ausgeschlossen ist. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hatte in einem Schreiben an den Ruhrverband im Herbst zudem klargestellt, dass Fracking im Einzugsgebiet der Ruhrwasserwerke kommerziell auf keinen Fall betrieben werden solle. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat klare Kante gezeigt und gesagt, dass es mit ihr kein Fracking in NRW geben werde. Das macht mich sicher.
Sicher ist wiederum, dass sie auch 2015 regelmäßig als ehrenamtlicher Bürgerbusfahrer in Brilon unterwegs sind. Außerdem rufen Sie interessierte Bürger dazu auf, Sie unter dem Motto „Sie kochen den Kaffee und ich bringe den Kuchen mit“ kennenzulernen. Welche Erfahrungen haben Sie dabei in persönlichen Gesprächen gemacht?
Bei einem Blick auf meinen Terminkalender würde ich mir wünschen, dass ich ein bisschen mehr Zeit für`s Bürgerbusfahren hätte. Denn nach 4 Stunden am Steuer sind sie über alles und jeden wieder bestens informiert. Sozusagen eine mobile Bürgersprechstunde. Aber Scherz beiseite: Das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürger ist das Wichtigste. Man kann nicht alle Probleme immer direkt lösen, aber es ist wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger wissen und merken, dass man immer ansprechbar ist und sich kümmert.
Quelle: Interview mit dem Sauerlandkurier