Mut zu mehr Sozialer Marktwirtschaft!

27. Mai 2019
Dirk Wiese

Manchmal lohnt es sich, Twitter zu ignorieren und nachzulesen, was uns der erste SPD-Wirtschaftsminister zur Sozialen Marktwirtschaft mit auf den Weg gegeben hat: „Die bestehende wirtschaftliche Ordnung unseres Staates weist vielfältige Mängel auf und bedarf der ständigen Weiterentwicklung und Reform. Wir sollten daher Marktwirtschaft nicht als einen dogmatisch verhärteten Begriff, sondern als offenes, einer solchen Weiterentwicklung zugängliches System begreifen. Sieht man individuelle Freiheit und hohen Lebensstandard als wesentliche Ziele unserer Wirtschaftspolitik an, dann gibt es jedoch im Prinzip keine erkennbare bessere Alternative zu der bei uns entwickelten Wirtschaftsordnung.“

Die SPD will, dass Unternehmen in Deutschland, ob kleine oder mittelständische, ob Konzerne oder Start-ups, erfolgreich wirtschaften können. Allerdings dürfen wir auch nicht die Augen davor verschließen, dass die soziale Ungleichheit zunimmt. Nur an einzelnen Stellschrauben zu drehen, reicht nicht mehr aus. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Die Politik muss wieder verstärkt agieren – auch um spaltendem Nationalismus und Populismus etwas entgegen zu setzen. Hier muss sozialdemokratische Politik entscheidende Akzente setzen und den gesetzlichen Rahmen vorgeben. Wir brauchen jetzt mehr Soziale Marktwirtschaft!

Das bedeutet aber auch, dass die hier tätigen Unternehmen etwas an die Gesellschaft zurückgeben müssen – angemessene Steuerzahlungen, anständige Löhne oder aktiven Klimaschutz.

Vor allem die Erwerbstätigen, die tagtäglich den Wohlstand dieses Landes erwirtschaften, müssen stärker beteiligt werden. Wir müssen daher Verteilungsfragen in den Blick nehmen, da nur ein sozial gerechtes Land Heimat für eine friedliche und freie Gesellschaft in einer globalisierten Welt sein kann. Die derzeitigen Diskussionen um Vergemeinschaftung und Enteignung zeigen, dass wir uns diesem Thema dringend stellen müssen.

Eine wachsende Unternehmenskonzentration ist Gift für die Soziale Marktwirtschaft. Marktbeherrschung zementiert Ungleichheit und schadet insbesondere den kleinen- und mittleren Unternehmen. Hier muss der Staat mit Verbraucherschutz und Monopolkontrolle helfen. Folglich ist lenkende Wettbewerbspolitik zum Wohl der Allgemeinheit aus meiner Sicht ursozialdemokratische Wirtschaftspolitik.

Angesichts der Digitalisierung und Automatisierung in kleinen wie großen Unternehmen und der damit einhergehenden Angst der Menschen vor Arbeitsplatzverlust oder auch der zunehmenden Marktmacht der Amazons und Googles, braucht es einen starken Staat als Korrektiv und Kontrolle. Politik ist hier nicht als Follower, sondern als sichtbarer Gesetzgeber gefragt.

Die Zuspitzung auf den großstädtischen Wohnungsmärkten ist ein gutes Beispiel, wie sich soziale Ungleichheit bei vielen Menschen bemerkbar macht und den sozialen Frieden gefährdet. Durch politische Fehlentscheidungen ist Wohnraum mittlerweile zum Spekulationsobjekt geworden. Renditeerwartungen konterkarieren dabei heute elementare Mieterinteressen und treffen damit Millionen Familien.

Im ländlichen Raum stellen sich zusätzliche Herausforderungen. Als Abgeordneter eines ländlichen Wahlkreises stelle ich mir hierzu folgende Fragen: Ist die Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung auf dem Landallein durch Private zu regeln? Kann es sein, dass wir Ewigkeiten auf die Telekom und andere kommerzielle Anbieter warten müssen, um endlich schnelles Internet zu haben? Sollte öffentliche Infrastruktur, wie das Bahnnetz, dem Markt überlassen werden? Ich sage Nein! Hier sind wir Politiker gefragt. Ob Stadt oder Land: in vielen Fällen fehlt es an entsprechenden Vorschriften. Diese trifft der Gesetzgeber!

Der Kern der Sozialen Marktwirtschaft besteht darin, das Prinzip der Freiheit mit dem sozialen Ausgleich zu verbinden. Initiativen, wie die sogenannte „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ bekämpfen diese Idee.
Während neoliberale Parteien den sozialen Ausgleich komplett vergessen, liegt es vielmehr an der SPD den Fokus auf noch mehr Soziale Marktwirtschaft zu legen.

Utopien sind als Zukunftsentwürfe hilfreich und können Orientierung bieten. Politik findet aber im Hier und Jetzt statt. Die SPD hat den Weitblick und das historische Gedächtnis, die es braucht, um Grundlagen für den Erfolg von morgen zu schaffen und damit den zukünftigen Wohlstand und dessen gerechte Verteilung zu sichern.

„Wer den Machtmissbrauch – auch den Missbrauch von aus Eigentum resultierender Macht – zulässt, verstößt gegen ein Grundprinzip der marktwirtschaftlichen Ordnung und handelt eigentumsfeindlich“, so Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller im Jahre 1971. Er hat Recht.

Packen wir es an. Wagen wir also endlich mehr Soziale Marktwirtschaft!