Nach dem Angriff Putins auf die Ukraine will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Bundeswehr stärken, der Ukraine Waffen liefern und die Sanktionen weiter verschärfen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will der Bundeswehr deutlich mehr Geld zur Verfügung stellen. In seiner Regierungserklärung am Sonntag im Bundestag kündigte er ein „Sondervermögen Bundeswehr“ an, das im Bundeshaushalt 2022 einmalig mit 100 Milliarden Euro ausgestattet werden soll. Er wolle dieses Sondervermögen im Grundgesetz verankern und bat dafür das Parlament um Unterstützung.
Zudem kündigte Scholz an, dass Deutschland von nun an „Jahr für Jahr“ mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investieren werde. Es gelte zu verhindern, dass der Krieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf andere Länder in Europa übergreife, sagte Scholz. Das bedeute, „ohne Wenn und Aber“ zur Beistandspflicht im Militärbündnis Nato zu stehen.
Putin „sollte unsere Entschlossenheit nicht unterschätzen, gemeinsam mit unseren Alliierten jeden Quadratmeter des Bündnisgebiets zu verteidigen“. Dafür brauche die Bundeswehr „neue, starke Fähigkeiten“.
Ein kaltblütiger Angriffskrieg
„Wir müssen deutlich mehr investieren in die Sicherheit unseres Landes, um auf diese Weise unsere Freiheit und unsere Demokratie zu schützen“, sagte Scholz. Das Ziel sei eine leistungsfähige, hochmoderne und fortschrittliche Bundeswehr. Das werde viel Geld Kosten, müsse aber erreichbar sein „für ein Land unserer Größe und Bedeutung in Europa“.
Der Bundeskanzler selbst hatte nach dem russischen Angriff auf die Ukraine um die Sondersitzung des Parlaments gebeten. Auf der Besuchertribüne verfolgten Altbundespräsident Joachim Gauck und der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk die Debatte. Melnyk wurde mit langem stehenden Applaus der überwiegenden Mehrheit der Abgeordneten begrüßt.
Olaf Scholz verurteilte den russischen Angriff erneut aufs Schärfste. „Mit dem Überfall auf die Ukraine hat der russische Präsident Putin kaltblütig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen, aus einem einzigen Grund: Die Freiheit der Ukrainerinnen und Ukrainer stellt sein eigenes Unterdrückungsregime in Frage“, so Scholz. „Das ist menschenverachtend, das ist völkerrechtswidrig, das ist durch nichts und niemanden zu rechtfertigen“.
Putin will ein Land von der Weltkarte tilgen
Der Kanzler sprach von einer „Zeitenwende“. Im Kern gehe es darum, ob Macht das Recht brechen dürfe, ob wir Putin gestatten, die Uhren zurückzudrehen in die Zeiten der Großmächte des 19. Jahrhunderts oder ob wir die Kraft aufbringen, Kriegstreibern wie Putin Grenzen zu setzen. „Das setzt eigene Stärke voraus. Ja, wir werden unsere Freiheit unsere Demokratie und unseren Wohlstand sichern“, betonte Scholz.
Mit dem Angriff auf die Ukraine wolle Putin nicht nur „ein Land von der Weltkarte tilgen.“ Er zertrümmere die europäische Sicherheitsordnung, wie sie seit der Schlussakte von Helsinki fast ein halbes Jahrhundert Bestand hatte.
Scholz betonte die Solidarität mit der Ukraine. „Wir müssen die Ukraine in dieser verzweifelten Lage unterstützen. In Kiew, Charkiw, Odessa und Mariupol verteidigen die Menschen nicht nur ihre Heimat. Sie kämpfen für Freiheit und ihre Demokratie, für Werte, die wir mit ihnen teilen. Als Europäerinnen und Europäer stehen wir mit ihnen auf der richtigen Seite der Geschichte.“
Waffen für die Ukraine
Putin habe mit seinem Angriff eine neue Realität geschaffen, so Scholz. Diese Realität erfordere eine neue Antwort. Diese habe die Bundesregierung gegeben. „Wir haben gestern entschieden, dass Deutschland der Ukraine Waffen zur Verteidigung des Landes liefern wird. Auf Putins Aggression konnte es keine andere Antwort geben“, sagte der Bundeskanzler.
Putin müsse von seinem Kriegskurs abgebracht werden. Dazu habe Deutschland gemeinsam mit den EU-Staats- und Regierungschefs ein Sanktionspaket bisher ungekannten Ausmaßes verabschiedet. Dazu gehören nun auch der Ausschluss von bestimmten russischen Großbanken aus dem Zahlungssystem Swift sowie Sanktionen gegen die russische Zentralbank und russische Oligarchen. „Wir behalten uns weitere Sanktionen vor, ohne irgendwelche Denkverbote“, betonte Scholz.
Putin, nicht das russische Volk habe sich für den Krieg entschieden. „Dieser Krieg ist Putins Krieg“, sagte der Kanzler. „Unsere Gedanken und unser Mitgefühl gelten heute den Opfern des russischen Angriffskriegs.Und genauso stehen wir an der Seite all jener in Russland, die Putins Machtapparat mutig die Stirn bieten.“
Unabhängige Energieversorgung
Scholz kündigte den zügigen Bau von zwei Flüssiggas-Terminals (LNG) in an, um bei der Energieversorgung unabhängiger von Russland zu werden. Die Entscheidung sei getroffen, in Wilhelmshaven und Brunsbüttel schnell zu bauen, Kurzfristig wolle man zwei Milliarden Kubikmeter Gas über staatlich abgesicherte sogenannte Long-Term-Options beschaffen. Zusätzlich wolle man im EU-Verbund weiteres Erdgas auf den Weltmärkten beschaffen. Zudem müsse der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben werden.
„Wir stehen ein für den Frieden in Europa. Wir werden uns nie abfinden mit Gewalt als Mittel der Politik. Wir werden uns immer stark machen für die friedliche Lösung von Konflikten. Und wir werden nicht ruhen, bis der Frieden in Europa gesichert ist“, stellte der Bundeskanzler klar.